Soziale Sicherung in der Schweiz:
3a/3b Individuelle Ergänzung
(mit Hinweis auf neues Erwachsenenschutzrecht)


 

 Ziel

Sichern des Wahlbedarfs / der Selbstvorsorge
Auf Grund des Dreisäulenkonzeptes soll die Selbstvorsorge die Leistungen der Ersten und Zweiten Säule so ergänzen, dass die versicherte Person den gewohnten Lebensstandard weiterführen kann und zusätzliche individuelle Bedürfnisse (z.B. vorzeitige Pensionierung) gedeckt sind.

 

 Versicherte Personen 

Die dritte Säule ist für alle Personen freiwillig, es besteht kein Obligatorium.

 

 Organisation 
Im Rahmen der Selbstvorsorge werden zwei Wege beschritten:
die freie Vorsorge (Säule 3 b)
für alle zugänglich
Im Rahmen der freien Vorsorge finden sich alle Vorkehrungen, die man kurz-, mittel- oder langfristig im Bereich der Vorsorge treffen kann. Zur freien Vorsorge zählen in erster Linie Lebensversicherungen, Kapitalanlagen und Wohneigentum.
die gebundene Vorsorge (Säule 3a)
In der AHV versicherte Erwerbstätige haben die Möglichkeit, mit steuerlichen Erleichterungen Selbstvorsorge zu betreiben. Den steuerlichen Vergünstigungen stehen anderseits einschränkende Vorschriften in Bezug auf den Abschluss, die Gestaltung und die Verfügung der Kapitalien gegenüber.
 
Vollzug
Versicherungsgesellschaften (Leben) und Banken, zusätzlich Organisationen, die im Immobilienbereich tätig sind, da auch der Erwerb/ Besitz von Wohneigentum zur Selbstvorsorge gezählt wird.

 

 Beiträge 
Gebundene Vorsorge 3a
Erwerbstätige dürfen ihre Beiträge für die gebundene Vorsorge vom steuerbaren Einkommen abziehen, dies allerdings nicht in unbeschränktem Umfang.
Erwerbstätige, die einer Vorsorgeeinrichtung angehören, dürfen ab 2013 jährlich maximal CHF 6739.– in die gebundene Vorsorge investieren; Erwerbstätige im AHV-Rentenalter können bis zum 70. Altersjahr (Frauen bis zum 69.) Einlagen in die Säule 3a tätigen. Laut BSV wird auf das AHV-pflichtige Erwerbseinkommen vor Abzug des Rentenfreibetrags abgestellt.
Erwerbstätige ohne Anschluss an eine Vorsorgeeinrichtung können einen Fünftel ihres AHV-pflichtigen Jahreseinkommens in die gebundene Vorsorge investieren. Der jährliche Maximalbetrag des Fünftels ist auf CHF 33 696.– begrenzt.

Freie Vorsorge 3b
Hier sind die vertraglichen Bestimmungen massgebend. Lebensversicherungen und Vermögensanlagen in Banken können durch einmalige oder wiederkehrende Zahlungen finanziert werden. Die Höhe der Beträge ist nicht begrenzt.

 

 Beitragsbemessung 

Vgl. Beitragspflicht

 

 Anspruchsvoraussetzungen 

In der Selbstvorsorge werden keine nationalitätsbedingten Unterschiede gemacht.


Gebundene Vorsorge 3a

Für Vorsorgeversicherungen sind die Bezugsbedingungen in der Police und den Allgemeinen Versicherungsbestimmungen (AVB) festgehalten. Für Vorsorgekonten können die entsprechenden Bestimmungen im Reglement gefunden werden. Bezüglich Vertragsdauer, Begünstigung, vorzeitigem Leistungsbezug usw. sind die gesetzlichen Einschränkungen gemäss BVV3 zu beachten.

Die Altersleistung darf frühestens fünf Jahre vor dem Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters bezogen werden. Grundsätzlich ist sie dann bis zum Erreichen des 64. Altersjahres für Frauen bzw. 65. für Männer zu beziehen. Erwerbstätige können im Rentenalter mit dem Bezug der Altersleistung bis zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit, längstens aber dem 70. Altersjahr zuwarten (Frauen bis zum 69.).

Der vorzeitige Bezug der Altersleistung (Auflösung des Vorsorgeverhältnisses) ist zulässig

•  für Betroffene, die eine ganze Rente der Invalidenversicherung (1. Säule) erhalten, wenn das Invaliditätsrisiko in der 3. Säule nicht versichert war.
•  für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum
•  für den Einkauf in eine Vorsorgeeinrichtung (Zweite Säule)
•  mit dem endgültigen Verlassen der Schweiz
•  mit der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder dem Wechsel der selbständigen Erwerbstätigkeit.


Freie Vorsorge 3b

Für Lebensversicherungen sind die Bezugsbedingungen in der Police und den Allgemeinen Versicherungsbestimmungen (AVB) festgehalten. Bezüglich Vertragsdauer, Begünstigung, vorzeitigem Leistungsbezug usw. bestehen keine Einschränkungen. Die entsprechenden Bedingungen für Vermögensanlagen in Banken sind abhängig vom gewählten Anlegeinstrument und den dazugehörenden Bestimmungen.

 

  Leistungen

Art und Umfang der im Vorsorgefall fälligen Leistungen sind sowohl für die gebundene Vorsorge 3a als auch die freie Vorsorge 3b in den dazugehörigen vertraglichen Bestimmungen geregelt.

Grundsätzlich steht (bezüglich der gebundenen Vorsorge 3a mit gewissen Einschränkungen) das ganze Spektrum von Vermögensanlagen und Versicherungslösungen offen. Durch eine optimale Wahl bzw. Kombination von Lebensversicherungen und Vermögensanlagen in Banken kann die private Vorsorge zur Steueroptimierung beitragen.

Vorsorgesparen über eine Bank oder Bankstiftung

Das über eine Bankstiftung gebildete Kapital wird mit Fälligkeit ausbezahlt oder im Auftrag des Vorsorgenehmers anderweitig angelegt. Die Leistung besteht aus dem Alterskapital, mit Rückgewähr in Todesfall (Auszahlung an die Erben).


Vorsorge mit einer Lebensversicherung


Zum Zwecke der Vorsorge werden folgende Versicherungsarten angeboten:

•  Kapitalbildende Lebensversicherungen
- •  Gemischte Versicherung
- •  Sparversicherung mit wählbarem Todesfallschutz
  Kapitalbildende Versicherungen können durch einmalige (Einmalprämie) oder periodische Beiträge (Jahresprämie) finanziert werden. Wird das Sparkapital in Fonds investiert, spricht man von fondsgebundenen Lebensversicherungen.
 
•  Altersrenten-Versicherungen
- •  Sofortbeginnende Altersrentenversicherung
- •  Aufgeschobene Altersrentenversicherung
    Aufgeschobene Altersrentenversicherungen können durch einmalige (Einmalprämie) oder periodische Beiträge (Jahresprämie) finanziert werden, sofortbeginnende ausschliesslich durch einmalige Beiträge.
 
•  Risikoversicherungen
- •  Erwerbsunfähigkeitsversicherung
- •  Todesfallversicherung
Risikoversicherungen werden in der Regel durch periodische Beiträge finanziert.
 
 Verfahren

Sowohl für die gebundene als auch für die freie Vorsorge gilt der privatrechtliche Klageweg.

 

 Anhang

Neues Erwachsenenschutzrecht

Auf den 1. Januar 2013 wurden die 1907 erlassenen Bestimmungen zum Vormundschaftsrecht (ZGB, Familienrecht) grundlegend revidiert. Gleichzeitig wurden die kommunalen Milizbehörden durch professionalisiertes Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) auf kantonaler bzw. Bezirksebene abgelöst.

Folgende Punkte bilden den Kern des neuen Erwachsenenschutzrechts und stärken die Familien bzw. Angehörigen oder nahe Bezugspersonen.

Ermöglichung der eigenen Vorsorge durch Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung
Gesetzliche Massnahmen zum Schutz der urteilsunfähigen Person (Partnervertretung, Vertretungsberechtigung in Bezug auf medizinische Massnahmen, gesetzliche Massnahmen betreffend Heimaufenthalt)
Behördliche Massnahmen (Beistandschaften, fürsorgerische Unterbringung)

 

 


Beistandschaften

Die bisherigen standardisierten Massnahmen Beiratschaft, Beistandschaft und Vormundschaft wurden durch die für die betreffende Person massgeschneiderte Massnahmen ersetzt.

Die Massnahmen sind so zu umschreiben, wie sie der konkrete Fall erfordert.
«Wo klemmt es? Wie klemmt es? Was klappt (noch)?».
Massschneidern betrifft nicht nur die Massnahme; dazu gehören auch die Suche nach Anordnungen und Alternativen.

 

 

Arten der Beistandschaft
(Quelle: Yvo Biderbost, KOKES-Fachtagung 2012)
Begleit-Beistandschaft
ZGB 393
Vertretung-Beistandschaft
ZGB 394
Mitwirkungs-Beistandschaft
ZGB 396
Umfassende Beistandschaft
ZGB 398
Vertretungslose, rein begleitende Unterstützung
von Gesetzes wegen keine Einschränkung der Handlungsfähigkeit
Einverständnis der betroffenen Person

 

 

gesetzlicher Vertreter im Umfang der Aufgaben
Handlungsfähigkeit bleibt grundsätzlich bestehen, kann aber punktuell eingeschränkt werden
Mitwirkung, nicht Vertretung! (also nur für Urteilsfähige)
Von Gesetzes wegen entsprechende Einschränkung der Handlungsfähigkeit
Nachfolgeinstitut der Vormundschaft
Vollumfängliche gesetzliche Vertretung
Vollumfängliches Entfallen der Handlungsfähigkeit
Kombination möglich ZGB 397

Die eigene Vorsorge für den Fall einer auftretenden Urteilsunfähigkeit wird mit dem Vorsorgeauftrag und/oder der Patientenverfügung sichergestellt.

Vorsorgeauftrag

Mit dem Vorsorgeauftrag kann gemäss ZGB 360 «eine handlungsfähige Person eine natürliche oder juristische Person beauftragen, welche im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Personen- oder die Vermögenssorge übernimmt oder sie im Rechtsverkehr vertreten soll.»

> Hier geht es um die Frage, wer soll «meine» rechtliche Vertretung sein, sollte ich aufgrund einer möglichen Unfähigkeit (durch Unfall oder Krankheit) nicht mehr in der Lage sein, meine Dinge selbst zu erledigen.
Es können Vertrauenspersonen ernannt werden, welche die rechtliche Vertretung übernehmen. Dabei ist auch eine Begrenzung möglich und/oder es kann erwähnt werden, wann die beauftragte Person die KESB (Erwachsenenschutzbehörde, die die Ausführungen dann gesetzlich überwacht) einbeziehen soll.
Es kann festgehalten werden, wer alltägliche Aufgaben erledigen soll, für den Fall dass man dies nicht mehr selbst kann (Post, Sorge um Haustiere und/oder Pflanzen usw.)
Mit Anordnungen für den Todesfall können alle Dinge geregelt werden, wie nach dem Ableben verfahren werden soll (Kremiert, gefriergetrocknet oder erdbestattet; Gemeinschaftsgrab, Einzelgrab oder anderes; usw.)
 
PS Damit im Bedarfsfall auf das Dokument zurückgegriffen werden kann, sollte man das Vorhandensein und den Hinterlegungsort auf dem Zivilstandsamt (Wohnsitz) registrieren lassen. Das ist nicht zwingend, aber sinnvoll.

Mit Eintritt der Urteilsfähigkeit der auftraggebenden Person muss der Vorsorgeauftrag der KESB – massgebend ist der Wohnort des Auftraggebers – unterbreitet werden (Validierung).

Patientenverfügung

Mit der Patientenverfügung kann gemäss ZGB 370 «eine urteilsfähige Person festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt oder eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt die medizinischen Massnahmen besprechen oder in ihrem Namen entscheiden soll.» Die Patientenverfügung für alle Bereiche der Medizin stärkt die Selbständigkeit und Selbstbestimmung des Patienten. Auch hier klärt das neue Erwachsenenschutzrecht den rechtlichen Rahmen.

> Hier geht es um die Frage, wie soll «meine» medizinische Versorgung im Krankheitsfall aussehen?

 

Mit der Patientenverfügung kann selbst bestimmt und schriftlich festgehalten werden, welche medizinische Behandlung dereinst gewünscht und akzeptiert bzw .abgelehnt werden soll und ob lebensverlängernde Massnahmen zum Einsatz kommen sollen.

PS

Verschiedene Organisationen geben Vorlagen für das Erstellen des Vorsorgeauftrags und speziell der Patientenverfügung (hier in unterschiedlichem Detaillierungsgrad) ab. In der Praxis wird mit dem Docupass der Pro Senectute gute Erfahrung gemacht. Die Unterlagen können für CHF 25.– über www.pro-senectute.ch angefordert werden.

 

 

 

 Links/Literatur 
Dokumentationen und Links der betreffenden Versicherungen und Banken

Leitfaden Schweizerische Sozialversicherung (13. Auflage, August 2013),
Gertrud E. Bollier und Beat Conrad; vgl. Liste «Leitfaden bestellen»

«Assi 2014» Büchlein von Peter Meier, Martin Wechsel und Peter Thomann, Selbstverlag: Stiftung zum Schutz der Versicherten, Postfach 129, 6034 Inwil, www.assistiftung.ch

«Jahrbuch der Sozialversicherungen 2014» (auch in Französisch, Italienisch und Englisch erhältlich
hrm4you GmbH, Luzern, www.hrm4you.ch, vgl. Liste «Jahrbuch der Sozialversicherungen bestellen».

«Schweizer Sozialversicherung» vierteljährlich erscheinende Fachzeitschrift mit elektronischem Update-Service Sozialversicherung aktuell, alle zwei Wochen
VPS Verlag Schweizer Personalvorsorge und Sozialversicherung, Luzern, www.vps.ch
vgl. Liste «Updates Sozialvers.».

 

•  www.vbv.ch
Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft
•  www.svv.ch
Schweizerischer Versicherungsverband
•  www.finma.ch
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA



   




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